Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige werden von Gerichten in strittigen Fällen herangezogen, wenn die Expertise eines unparteiischen und neutralen Experten benötigt wird. Als Gerichtssachverständige fungieren sie als Unterstützer der Richter.

Zusätzlich werden diese Sachverständigen auch von Privatpersonen, Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern beauftragt, um Begutachtungen und Beweissicherungen in Streitigkeiten durchzuführen oder handwerkliche Leistungen abzunehmen.

Gerichtsgutachten:

In gerichtlichen Streitfällen wird der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige des Handwerks überwiegend tätig in Verfahren zu Gewährleistungsrechten über angeblich mangelhaft erfüllte handwerkliche Leistungen nach dem Werkvertragsrecht (§§631 – 651 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-).

In der Regel geht es um die Begutachtung der Frage, ob der behauptete Mangel an der werkvertraglich geschuldeten Handwerksleistung tatsächlich vorliegt, worauf er zurückzuführen ist und wie und mit welchem Kostenaufwand er behoben werden kann. Das Werkvertragsrecht ist ein Vertragstyp des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Die Streitigkeiten über die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Vertragstypen werden vor den Zivilgerichten (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof) ausgetragen. Die Verfahrensordnung, nach der diese Streitigkeiten vor den Gerichtsinstanzen abgewickelt werden, ist die Zivilprozessordnung (ZPO).

Damit der Sachverständige seiner Rolle als Gutachter in einem Zivilverfahren gerecht werden kann, muss er einige Grundsätze kennen, nach denen diese Verfahren ablaufen.

Der Sachverständige erhält entweder direkt vom Gericht oder über die Handwerkskammer die Verfahrensakten, in der Regel mit einem Begleitschreiben in Form eines Vordrucks. Bereits dieses Begleitschreiben wird der Sachverständige sehr sorgfältig lesen, denn es enthält für ihn wichtige Informationen über die Pflichten des Sachverständigen zu einer möglichst reibungslosen und zügigen Zusammenarbeit mit dem Gericht. Die Begleitschreiben können von Bundesland zu Bundesland bzw. schon von Gerichtsbezirk zu Gerichtsbezirk in einzelnen Punkten unterschiedliche Inhalte haben.

Aufgrund dieser gerichtlichen Beauftragung wird der Sachverständige dann die streitige Leistung begutachten und darüber sein „Gerichtsgutachten“ erstellen.

Privatgutachten:

Als Privatgutachten bezeichnet man die Art von Gutachten, welche außerhalb eines Gerichtsverfahrens für private Auftraggeber, wie zum Beispiel für

• Privatpersonen
• juristische Personen
• Firmen
• Versicherungen
• Verwaltungen und Organisationen
• Verbände und vergleichbare Einrichtungen

erstellt werden.

Der Auftraggeberkreis für ein Privatgutachten ist unbegrenzt. Jedem Interessenten steht es frei, in einem Streitfall, zu dessen Lösung es einen Sachverständigen bedarf, einen Sachverständigen zu beauftragen.

Die Bedeutung eines Privatgutachtens in einem Gerichtsverfahren ist jedoch beschränkt, da der Sachverständige nur von einer Partei beauftragt wurde und aus diesem Grund ein evtl. vom Gericht angeordnetes Sachverständigengutachten in keinster Weise ersetzt.

Die Entscheidung zu einem vom Gericht angeordneten Sachverständigengutachten wird jedoch erst dann getroffen, wenn zwischen den Parteien aufgrund des erstellten Privatgutachtens noch keine Einigung erzielt werden konnte. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich ein vom Gericht bestellter Sachverständiger die Ausführungen des bereits erstellten Privatgutachtens ansehen und in die eigenen Ausführungen mit einbeziehen kann.

Erstattet ein Sachverständiger ein Privatgutachten, so wird er in der Praxis als außergerichtlich tätiger Gutachter oder als Privatgutachter bezeichnet. Auch das von ihm erstellte Privatgutachten gilt folgerichtig als außergerichtlich erstelltes Gutachten. Diese Bezeichnungen verdeutlichen die klassische Zweiteilung aller Gutachten in solche, die für Private erstellt werden -Privatgutachten- und solche, die für das Gericht erstellt werden -Gerichtsgutachten-.

Schiedsgutachten:

Ein Schiedsgutachten ist eine weitere Variante, eine Einigung ohne ein Gerichtsverfahren zu erzielen.

Beide Konfliktparteien beauftragen gemeinsam einen Sachverständigen, welcher für sie den Konflikt schlichten soll. Diese Beauftragung setzt jedoch ein hohes Vertrauen in die fachliche Kompetenz des Sachverständigen voraus und ist auch nur dann möglich, wenn beide Konfliktparteien untereinander ein gutes Verhältnis haben und dieses durch den aufgetretenen Streitfall nicht belastet wurde.

Das Schiedsgutachten, welches in seinem Kern nicht anders als ein Privatgutachten aussieht, bindet den Auftraggeber und die betroffene Gegenpartei, die sich im Schiedsgutachtenvertrag dem Schiedsgutachten unterworfen haben. Es entscheidet rechtsverbindlich über Zweifel und Streit.

Selbstverständlich kann es auch von der Partei, für die es sich nachteilig auswirkt, nicht mehr als gegenstandslos abgetan und beiseite geschoben werden. Zur objektiven Klärung von Zweifeln und Streitfragen, die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses auftauchen, ist das Schiedsgutachten ein hervorragendes und im Regelfall nicht angreifbares Instrument.

Obwohl das Schiedsgutachten eine Möglichkeit darstellt, den Konflikt kostenmindernd und äußerst kurzfristig zu lösen, wird diese Variante der Einigung sehr selten genutzt.

Selbständiges Beweisverfahren:

Auch ohne Prozess besteht die Möglichkeit das Gericht zur Bestellung eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu veranlassen, was die an das Gericht zu zahlenden Gebühren, anders als bei einem aufwendigen Prozess, weitaus verringert.

Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, welcher für das betreffende Fachgebiet in Frage  kommt, kann auch auf Antrag nur einer Partei vom Gericht bestellt werden. Die beantragende Partei kann dem Gericht einen Sachverständigen vorschlagen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Gericht zur Bestellung des vorgeschlagenen Sachverständigen nicht verpflichtet ist und eigenständig einen anderen Sachverständigen bestellen kann.

Der Antrag der Partei bei Gericht muss nicht wie in anderen Fällen durch einen Rechtsanwalt gestellt werden. Es ist aber angebracht einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, da einige Besonderheiten zu beachten sind.

Um den Konflikt zu begrenzen, ist grundsätzlich ein selbständiges Beweisverfahren geeignet. Ein aufwendiger Bauprozess kann vermieden werden, wenn der Sachverständige seine Recherchen gründlich und korrekt vornimmt und er für beide Konfliktparteien zu einem nachvollziehbaren Ergebnis kommt.

Der vom Sachverständigen ermittelte Verursacher des Schadens wird sich fragen, ob es sich trotz der aus technischer Sicht vorgenommenen Schadenszuweisung lohnt, einen aufwendigen Bauprozess zu führen.

Diese Entscheidung hängt allein davon ab, ob er die vom Sachverständigen erzielten Ergebnisse entkräftigen kann oder juristische Gründe vorliegen, die eine andere Risikozuweisung trotz technischer Belastung ergeben.